Kaestner


Carl Kästner, Leipzig

Geldschrank-Fabrik

aus: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild

Zweiter Teil


Date

1893


Carl Kästner, Leipzig

Geldschrank-Fabrik.

Wie großen altertümlichen Truhen mit schweren, kunstvollen Schlössern und allerlei Zierat im Geschmacke der Urgroßväter, die einst die Schätze und Kleinodien des deutschen Patrizierhauses bargen, sind schon längst aus unserem Haushalt verschwunden. Nur der Altertumsfreund benutzt sie noch als Schaustück, und der Altertumshändler ist eifrig bedacht, besonders schöne Exemplare in seinen Besitz zu bekommen. An ihre Stelle ist der feuer- und diebessichere Geldschrank getreten, der sich mit jedem Jahre mehr einbürgert und ein notwendiges Inventarstück sowohl für den wohlhabenden Privatmann, wie für die Geschäftswelt und die Behörden geworden ist. Wohl war die altdeutsche Truhe überaus solid gebaut, geräumig und schwer von der Stelle zu bewegen, aber sie schützte ihren Inhalt, weder vor der verheerenden Glut der Flammen, noch würde sie heute dem mit modernen Diebeswerkzeugen versehenen Einbrecher Widerstand leisten, denn ein solcher würde sich bei den mächtigen Schlössern gar nicht aufhalten, sondern die auf einfachste Weise mögliche Herausnahme des Bodens bewirken. Man muß die sinnreich konstruierten Werkzeuge einer internationalen Einbrecherbande gesehen haben, um zu wissen, daß den vielen und so mannigfaltigen modernen Hilfsmitteln gegenüber – nur ein Tresor modernster Bauart widerstandsfähig ist, nicht einmal ein solcher älterer Konstruktion, geschweige denn die eiserne oder eisenbeschlagene Truhe oder Kasten unserer Altvorderen.

Zwei Eigenschaften sind es hauptsächlich, die dem modernen Eisenschrank und den ihm verwandten Produkten dieser Industrie so schnell Eingang bei allen Interessenten verschafft haben: der Umstand, daß er nicht nur diebessicher, sondern auch feuersicher ist und sein elegantes Aussehen, das ihn auf gleiche Stufe mit dem wertvollsten Luxusmöbel stellt. Unser „papiernes Zeitalter“ hat Werte geschaffen, die oft in einem einzigen Dokumente bestehen; unsere Bibliotheken beherbergen alte Druckdenkmäler, die nur einmal in der Welt vorhanden und unschätzbar sind, die umfangreichen Geschäftsbücher einer Weltfirma, in die schließlich alle die Fäden zusammenlaufen, die in Jahrzehnten geknüpft wurden, sind ihrem Besitzer wertvoller als eine runde Summe in Gold, die für einen andern ein kleines Vermögen bedeutet; rechnen wir hierzu noch die wirklichen Wertpapiere, die Banknoten, Börsenpapiere, Cheks, Wechsel etc., so begreifen wir die Wichtigkeit und Notwendigkeit der feuer- und diebessicheren Aufbewahrung alles dessen. Und in der Erreichung solcher Sicherheiten ist die Kästnersche Fabrik, deren Monographie der Zweck vorliegender Zeilen ist, berühmt. Ihr Katalog veröffentlicht eine ganze Anzahl Atteste, die, vom Jahre 1852 beginnend und bis zur Gegenwart fortschreitend, nachweisen, daß sich Kästners Schränke bei großen Bränden und schweren Einbruchsversuchen stets glänzend bewährt haben. In jedem Zeugnis wird die volle Erhaltung und Bewahrung des Inhaltes solcher Schränke auch nach höchsten Gefahren konstatiert und damit bester Beweis für die Zweckmäßigkeit des Fabrikates gegeben, wie solcher einzig und allein auch nur durch die Praxis erbracht werden kann. Und was die Eleganz des Aussehens anbetrifft, so wetteifern die Erzeugnisse dieser Firma mit dem stilvollsten Salonmöbel. Der illustrierte Katalog [Ξ] zeigt Prachtschränke, die aussehen, als stammten sie aus der Werkstatt eines berühmten Kunsttischlers, und niemand sieht ihnen an, daß sie aus Eisen und Stahl zusammengefügt sind; ansprechende Schreibtische, Stehpulte, Spiegel-, Bücher- und Silberschränke, Ladentafeln – alles das wird von Carl Kästner feuer- und diebessicher in den elegantesten Formen hergestellt.

Die altberühmte Firma, deren gegenwärtiger Inhaber Herr Carl Bernhard Kästner ist, wurde von Herrn Christian Carl Kästner, dem Vater des jetzigen Besitzers, in den 30er Jahren in Leipzig begründet; die Fabrikkonzession wurde 1852 erteilt. Eine wesentliche Vergrößerung des Geschäftes erfolgte 1861 durch den Bau einer neuen Fabrik, während der Betrieb des Etablissements durch Dampf im Jahre 1869 eingerichtet wurde. Das heutige Etablissement dagegen, in welchem ca. 100 Arbeiter beschäftigt sind, und welches mit einer Dampfmaschine von 30 Pferdekräften, zahlreichen Hilfsmaschinen und Dampfheizung ausgestattet ist, wurde 1873 erbaut. Die Firma Carl Kästner produziert, wie schon eingangs erwähnt, sämtliche Arten feuer- und diebessicherer, stahlgepanzerter Schränke, Tresors und Kassetten, ferner Gewölbepanzerungen, desgleichen Thüren und Fensterladen mit den gleichen Eigenschaften. Außer Deutschland ist die ganze kultivierte Welt ihr Absatzgebiet. Die aus ihren Werkstätten hervorgegangenen Schränke etc. sind seit 1865 auf allen nennenswerten Ausstellungen nur mit ersten Preisen prämiiert worden. Die Autorität der Firma auf diesem Gebiete wird unbestritten anerkannt; so berief die Niederländische Regierung den Chef derselben 1879 als Jury-Mitglied bei dem internationalen Wettstreit in Arnheim und der Reichskanzler des deutschen Reiches 1883 in derselben Eigenschaft bei der internationalen Ausstellung in Amsterdam. Bei dem gleichen Anlasse wurde ihm auch der Niederländische Löwenorden verliehen. Hinzugefügt sei noch, daß auch Seine Majestät König Albert den renommierten Werkstätten einen Besuch abstattete. Der Katalog enthält hierüber ein interessantes Bild: Seine Majestät König Albert betrachtet in der Verkaufsabteilung einen prachtvollen Kunstschrank und läßt sich eine neue Schlüsselkonstruktion der Firma durch den Besitzer erklären.

Hochinteressant ist ein Rundgang durch das auf das rationellste eingerichtete Etablissement. Da sind durch eine große Dampfmaschine getrieben mächtige Stanzmaschinen, Walzen und Scheren, mannigfache Hobel-, Bohr- und andere Maschinen zur Vorbereitung der Materialien; von einem vielzähligen Arbeiterpersonal werden die verschiedensten Einzelteile zu den Schränken hergerichtet, um danach zu einem Ganzen von solidester Konstruktion zu erstehen. Durch die Verschiedenheit der Formen in der Herstellung wird das Fabrikat zugleich der Benutzung für mehrfache Zwecke, für den Geschäfts- wie für den Privatgebrauch, zugänglich; dementsprechend gestaltet sich auch die Ausstattung vom einfachsten bis zum elegantesten Genre. In allen den zahlreichen bisherigen Fällen, wo Kästnersche Schränke bei Feuersbrünsten und durch routinierte Einbrecher in Mitleidenschaft gekommen sind, haben sich dieselben stets, wie schon erwähnt, in bester Weise bewährt und wo deshalb ein „Kästner“ im Hause steht, sei es auf dem Kontor oder in der Wohnung, da weiß sein Besitzer sein Eigentum gut aufgehoben und darum hat die Firma Carl Kästner in Leipzig nicht nur in dem engeren Vaterland, nicht nur im ganzen deutschen Lande, sondern auch, es läßt sich wohl sagen, in fast allen Ländern der Welt sich einen guten Namen erworben, vielfach hat sie sich auch da Eingang verschafft, wo vordem nur Fabrikate anderer Exportländer bekannt waren, sie ist für ihre Branche wie eine nur berufen, eine würdige Vertreterin der sächsischen Industrie zu sein, und deshalb durfte dieselbe auch in diesem Werke nicht fehlen, wo es gilt, die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild zur Darstellung zu bringen.

Der Besitzer der Firma Carl Kästner gibt die Gewähr, daß er an der stets bethätigten soliden Fabrikation seiner Schränke unbeirrt festhalten wird, und es möge ihm vergönnt sein, daß sich die Interessenten für solche Fabrikate in immer größerer Zahl seiner Firma erinnern, wo es gilt, wirklich gediegene Herstellungen zu erlangen, wie dies in allerjüngster Zeit auch durch Erteilung größerer Aufträge von seiten der Reichsbank-Verwaltung, für die Reichs-Hauptbank in Berlin geschehen, nachdem Herr Kästner schon seit vielen Jahren Lieferant für die Reichsbank ist.